
Trump 2025 und die Versuchung des Ur-Faschismus laut Umberto Eco
1. 10. 2025 / Fabiano Golgo
Beim Blick auf die Trump-Regierung erinnerte ich mich an eine Vorlesung, die ich an der Universität über den Papst der Kommunikationswissenschaften, Umberto Eco, gehalten hatte. Eco schrieb einmal, dass Faschismus keine feste Ideologie sei, sondern eine Ansammlung von Gewohnheiten – eine "Familienform" von Einstellungen, die zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten auftreten können. Es ist nicht notwendig, dass sich alle vierzehn Symptome manifestieren, um Grund zur Sorge zu haben. Selbst einige wenige von ihnen können die Demokratie verzerren. Und wenn wir uns die zweite Amtszeit von Donald Trump im Jahr 2025 ansehen, werden wir feststellen, dass viele dieser Gewohnheiten auch in der amerikanischen Politik Wurzeln schlagen.
Übersetzt aus dem Tschechischen von Uwe Ladwig
Bevor
wir in die Liste einsteigen, lohnt es sich, bei einer tieferen
kulturellen Stimmung innezuhalten. Amerika ist heute ein Land
erschöpfter Stämme. Die Leistungsgesellschaft hat dazu geführt,
dass sich breite Teile der Arbeiter und der Mittelschicht gedemütigt
fühlen. Gebildete Eliten strahlen oft Verachtung für diejenigen
aus, die ihre weltoffenen Werte nicht teilen. Der alte bürgerliche
Glaube – dass Politik ein gemeinsames Projekt ist – erodierte. In
dieses Vakuum tritt ein Mann ein, der Zusammengehörigkeit, Drama und
Rache anbietet. Das ist der emotionale Boden, auf dem die Zeichen von
Eco sprießen können.
Der
Kult der Tradition. Trumps
"Make America Great Again" ist nicht nur ein Wahlslogan,
sondern eine moralische Weltanschauung. Er sagt seinen Anhängern,
dass die Zukunft schrecklich und die Vergangenheit besser sei. Er
platziert Weisheit im mythischen Amerika – starke Väter, gehorsame
Kinder, stolze Fabriken – und stellt die Gegenwart als Verrat an
dieser heiligen Ordnung dar.
Ablehnung
des Modernismus. Eco
warnte, dass der Faschismus rationales, aufklärerisches Denken
hasse. Trumps Bewegung stellt den Instinkt über die Expertise. Ob es
sich um die Klimawissenschaft, die Pandemievorsorge oder das
Verfassungsrecht handelt, Experten sind "Eliten" und Eliten
sind verdächtig. Das ist emotional befriedigend, aber
staatsbürgerlich destruktiv.
Ein
Aktion um der Aktion selbst willen. Trump
genießt die Zurschaustellung von Macht – Dekrete, die als
Cliffhanger im Fernsehen dargestellt werden, dramatische
Entlassungen, Militäreinsätze gegen Proteste im Inland. Die
Botschaft lautet: Denken ist Schwäche; nur Taten beweisen
Stärke.
Meinungsverschiedenheiten
sind Verrat. Eine
gesunde Republik hält die Opposition für legitim. Trump hält sie
für Verrat. Journalisten sind "Feinde des Volkes". Die
Richter, die gegen ihn entscheiden, sind "korrumpiert". In
der Terminologie von Eco ist dies ein klassischer Schritt in Richtung
Autoritarismus.
Angst,
anders zu sein. Einwanderung
ist wieder eine zentrale Obsession. Politik, die auf
Massenabschiebungen oder Verbote für bestimmte Studentengruppen
abzielt, wird nicht nur mit dem Durchsetzen der Gesetze
gerechtfertigt, sondern auch als eine Frage des nationalen
Überlebens. Unterschiede verändern sich in Bedrohung.
Selektiver
Populismus. Vielleicht
das markanteste Merkmal. Trump behauptet, für das "wahre
Amerika" zu sprechen, seine Anhänger bezeichnet er als das
einzig wahre Volk und alle anderen als Usurpatoren. So verengt er die
Demokratie auf einen Personenkult.
Wir könnten noch
weitermachen – Eco erwähnt die Verachtung für die Schwachen, die
Besessenheit von Verschwörungen, die vereinfachende Sprache, den
"Neusprech". All deren Echos finden wir in Trumps zweiter
Amtszeit.
Es geht nicht nur um Trump. Es geht um uns
anderre. Ecos Eigenschaften sind Symptome einer Gesellschaft, die den
Glauben an ihre eigenen liberalen Gewohnheiten verloren hat –
Mäßigung, Pluralismus, Selbstkontrolle. Die Trump-Bewegung nährt
sich von Demütigungen, aber Demütigungen erwachsen aus einer
Kultur, die Millionen von Bürgern keinen Sinn gegeben hat. Wenn die
Demokraten mit reiner Verachtung reagieren, bereiten sie nur den
Boden dafür.
Eco hat uns eine Checkliste mit Warnlampen
gegeben: Je heller sie in Washington aufleuchten, desto dringender
müssen wir uns um die tiefere Struktur der amerikanischen
Gesellschaft kümmern – damit ein Mann und seine Theatralik nicht
so leicht die Seele der Demokratie entführen können.
Vierzehn
Zeichen des ewigen Faschismus (Ur-Faschismus) nach Umberto Eco:
1.
Der Kult der Tradition
2. Die Ablehnung des Modernismus,
die zum Irrationalismus führt
3. Der Kult des Handelns um
des Handelns willen, mit Feindseligkeit gegenüber Intellektuellen
und kritischem Denken
4. Meinungsablehnung ist Verrat
5.
Angst vor dem Anderssein, die sich oft durch Rassismus und
Fremdenfeindlichkeit zeigen
6. Ein Appell an die
frustrierte Mittelschicht
7. Verschwörungsbesessenheit,
verbunden mit Fremdenfeindlichkeit
8. Die Feinde sind
sowohl zu stark als auch zu schwach
9. Pazifismus ist
Handel mit dem Feind, denn das Leben ist permanenter Krieg
10.
Im Volkselitismus ist jeder Bürger besser als ein Ausländer, aber
der Führer und die Partei sind die besten Bürger, mit Verachtung
für die Schwachen.
11.
Der Kult des Heldentums, wo es einen Kult des
Todes gibt
12.
Machismo und Misogynie, Verurteilung unüblicher sexueller
Gewohnheiten
13. Selektiver Populismus, bei dem der Führer
intuitiv für ein geeintes "Volk" spricht und
parlamentarische Verfahren ablehnt (Ablehnung von parlamentarischen
Verfahren)
14. Neusprech, die Verwendung von verarmtem Vokabular, um komplexes Denken zu reduzieren
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